Er war ein liebevoller Vater, ein ideenreicher Pionier und ein erfolgreicher Automobilkonstrukteur – Joseph Vollmer.
Diese Website ist eine Hommage an einen der erfolgreichsten Automobilkonstrukteure, an einen Baden-Badener und an einen Großvater.
In Gaggenau trägt eine Straße seinen Namen, in seinem Geburtsort Baden-Baden ist es eine Brücke. Wir wollen Joseph Vollmer jetzt noch ein Denkmal setzen. Er hat es verdient, denn er zählt zu den bedeutendsten Konstrukteuren der Pionierjahre des Automobils.
Der Zeit entsprechend und um einen großen Kreis die Möglichkeit zu geben „mal zu denken“ – daher das Wort Denkmal – haben wir das Internet gewählt.
Die herausragende Lebensleistung von Joseph Vollmer hat bereits seine Enkelin Gisela Zincke in der Biographie über ihren Großvater „Joseph Vollmer – Konstrukteur und Pionier“ eindrucksvoll beschrieben. Teile daraus werden wir gelegentlich auch hier veröffentlichen.
Das Deutsche Museum in München erhielt Joseph Vollmers technischen Nachlass, soweit er die Kriege überstanden hatte. Über 450 in- und ausländische Patente und Gebrauchsmuster wurden Joseph Vollmer im Laufe seines Lebens erteilt.
Zum Start dieser „Denkmal-Seiten“ für Joseph Vollmer liegt der Schwerpunkt noch bei seiner ersten Wirkungsstätte „Bergmanns Industriewerke“ in Gaggenau. Hier begann seine Karriere 1894 mit der Entwicklung und dem Bau seiner ersten Automobile „Orient-Expreß“.
Automobil-Experte Michael Wessel (stehend), BKV-Geschäftsführer Stefan Ratzel und die Leiterin des Unimog-Museums, Hildegard Knoop, präsentieren den Orient-Express im Foyer des Kurhauses. Foto Roland Seiter
Gebaut 1897 in Gaggenau – Konstrukteur ein Baden-Badener
Baden-Baden. Bis 22. Juni ist eine automobile Rarität, der „Orient-Express“, im unteren Foyer des Kurhauses zu bewundern. Dort haben Geschichts- und Automobilbegeisterte Gelegenheit, das inzwischen 121 Jahre alte Fahrzeug in Augenschein zu nehmen.
Das älteste bekannte Fahrzeug aus Gaggenauer Automobilproduktion wurde vor wenigen Wochen aus England zurück an seinen „Geburtsort“ geholt. Das Automobil wurde 1897 unter dem klangvollen Namen Orient-Express in Bergmanns Industriewerken nach Plänen und in Regie des Baden-Badener Ingenieurs und Automobilpioniers Joseph Vollmer gebaut. Laut dem Gaggenauer Experten Michael Wessel ist der Wagen das älteste noch existierende Fahrzeug aus Gaggenauer Produktion.
Die automobile Kostbarkeit ist im Besitz des Unimog-Museums Gaggenau (www. unimog-museum.de). Museumschefin Hildegard Knoop weiß: „Gerade auch, weil wir das Museum erweitern wollen, passt der Wagen sehr gut in unser Konzept. Er ist fahrtüchtig und bereichert unser Museum.“
Joseph Vollmer, am 13. Februar 1871 geboren, wuchs in der Baden-Badener Weinbergstraße als Sohn eines selbständigen Schlossermeisters zusammen mit drei Brüdern auf. Er besuchte die Städtische Gewerbeschule, ging nach deren Abschluss 1886 nach Cannstatt und absolvierte dort eine Lehre als Feinmechaniker bei der Maschinenfabrik Esslingen. Gegenüber der Maschinenfabrik arbeiteten Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach an einem Viertakt-Fahrzeugmotor. Vollmer verfolgte deren Versuchsfahrten mit großem Interesse.
Von 1891 bis 1894 studierte Joseph Vollmer am Technikum Mittweida und schloss das Studium als Maschinenbau-Ingenieur ab. Vollmers Karriere als Konstrukteur und Automobilpionier startete 1894 in Gaggenau bei der Firma „Bergmanns Industriewerke“. Sie baute sein erstes Kraftfahrzeug, den Orient-Express, und begründete damit in Gaggenau für über 100 Jahre den Automobilbau.
1897 trat Joseph Vollmer als Gesellschafter in das Berliner Unternehmen „Kühlstein Wagenbau-Gesellschaft OHG“ ein. Dort konstruierte und baute Vollmer mehrere Motorfahrzeuge, die auf der Pariser Weltausstellung 1900 mit Preisen ausgezeichnet wurden. Vollmer wurde Mitglied der technischen Kommission des Mitteleuropäischen Motorwagen-Vereins und außerdem in Berlin, Potsdam und Frankfurt/Oder zum polizeilichen Sachverständigen berufen.
Seit 1901 gab es bei der AEG eine Automobilabteilung. Ab 1902 leitete Joseph Vollmer diese Abteilung, die NAG. Alle Fahrzeuge, die AEG-NAG bis 1906 herstellte, entstanden unter Vollmers Leitung und mit seinen Ideen. Dazu zählte auch der Lastzug „Durch“, der als erster Lastzug der Welt gilt. 1905 heiratete Joseph Vollmer seine Frau Hedwig, geborene Stöhr, mit der er zwei Töchter bekam.
1906 verließ Vollmer die NAG und gründete zusammen mit seinem Freund Ernst Neuberg die „Deutsche Automobil-Construktionsgesellschaft m.b.H. Berlin (DAC)“. Zahlreiche in- und ausländische Fabriken zählten zu den Kunden der DAC, weil viele von ihnen noch keine eigenen Konstruktionsbüros besaßen. Das erfolgreiche Unternehmen konstruierte bis 1936 Fahrzeuge und Motoren und lieferte komplette Werkszeichnungen gegen Lizenzzahlungen. Bis zur Auflösung der DAC wurden Lizenzverträge mit 68 Herstellern von Kraftfahrzeugen und Verbrennungsmotoren geschlossen.
Am Ersten Weltkrieg nahm Joseph Vollmer als Hauptmann teil. Er bemühte sich zunächst um die Einführung des metrischen Systems im Kraftfahrzeugbau. Er zählt mit dieser Arbeit zu den Vordenkern der FAKRA, die in den zwanziger Jahren für eine Typisierung automobiler Baugruppen sorgte, sowie zu den Vätern der deutschen Normung (DIN), damals noch „Normenausschuss der Deutschen Industrie“ (NADI). Anschließend wurde Vollmer mit dem Bau der deutschen Panzer K-Wagen (Großkampfwagen), A7V, LK I und LK II betraut.
Die Erfahrungen mit der Panzerkonstruktion konnte Vollmer nach dem Krieg für die Konstruktion von Landwirtschaftsfahrzeugen, wie die bekannte Hanomag-Raupe, nutzen. Er widmete sich außerdem dem Bau von Nutzfahrzeugen und der Entwicklung des Dieselmotors.
Joseph Vollmer war Inhaber von über 450 in- und ausländischen Patenten und Gebrauchsmustern. Er gilt als einer der zehn herausragendsten deutschen Automobilkonstrukteure. Sein Lebenswerk wurde mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande, der Diesel-Medaille und dem Dieselring sowie einer Reihe von Ehrenmitgliedschaften gewürdigt.
Joseph Vollmer starb nach einem Vortrag im Volkswagenwerk am 9. Oktober 1955 in Braunschweig. 2005 benannte seine Heimatstadt Baden-Baden eine Brücke nach ihm: Die „Joseph-Vollmer-Brücke“ liegt zwischen der Europastraße/B500 und der Schwarzwaldstraße, direkt an der Tourist-Information.
Mehr über Joseph Vollmer im Buch von Gisela Zincke: „Joseph Vollmer – Konstrukteur und Pionier“, erschienen 2001. Die deutschsprachige Ausgabe ist vergriffen. Die englische Fassung ist noch erhältlich über www.buchundbild.de
Pressemeldung der Stadt Baden-Baden – Roland Seiter – 30. Mai 2018
Stefan Schwaab, Ron Mellowship, Lothar Volle, Michael Wessel und OB Christof Florus (von links) auf dem Auto von 1897 Foto: Hegmann
Hans-Peter Hegmann schreibt am 7. Mai im Badischen Tagblatt:
Der „Orient-Express“ ziert ein paar Wochen die Schalterhalle
Historischer Oldtimer kommt anschließend ins Kurhaus Baden-Baden
Gaggenau – „Wenn Stefan Schwaab vom Unimog-Museum Verein anruft und fragt, ob wir etwas zusammen machen können, dann weiß ich inzwischen sofort, was es bedeutet.“ Und auch diesmal lag der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Baden-Baden Gaggenau, Lothar Volle, richtig: Stefan Schwaab war wieder einmal auf der Suche nach Spendern. Allerdings ging es diesmal um etwas ganz Besonderes. Das Unimog-Museum hatte durch einen Kontakt von Michael Wessel die einmalige Gelegenheit, ein fahrbereites, 1897 in Gaggenau hergestelltes Fahrzeug in England zu kaufen. Für dieses wertvolle Stück aus den Anfangstagen der Gaggenauer Automobilindustrie, „mit der noch heute im Murgtal viele Menschen eng verbunden sind“, wie Volle betonte, gab die Sparkasse gerne einen Beitrag zur Kaufsumme.
Unimog-Museum bittet um Geldspenden
Mit Unterstützung des ehemaligen Eigentümers Ron Mellowship aus Kent und OB Christof Florus enthüllten er und Schwaab den „Orient-Express“ aus Bergmanns Industriewerken Gaggenau. Er wird bis einschließlich 30. Mai in der Schalterhalle zu besichtigen sein, dann bis einschließlich 22. Juni im Kurhaus in Baden-Baden. Für die bisherigen Spenden zwischen 200 und 10000 Euro für den Ankauf, darunter auch Beträge von Gaggenauer Firmen, bedankte sich Schwaab. „Wir freuen uns aber auch über jede Spende von 20 Euro“, ergänzte er und nannte gerne das Spendenkonto: Stiftung des Unimog-Museums, Sparkasse Baden-Baden Gaggenau, IBAN: DE 27 6625 0030 0050 0555 57.
Ein kleines rollendes Museum können die Besucher der Gaggenauer Innenstadt am 1. Mai erleben. Dann werden Fahrzeuge aus unterschiedlichen Jahrzehnten – alle in Gaggenau gebaut – zu bewundern sein. Nach Abschluss der Mai-Kundgebung der IG-Metall fahren ein Benz-Lkw von 1916, ein Bus von 1936, ein Unimog-S aus den 1950er Jahren und einer der letzten hier gebauten Unimog etwa um 12 Uhr in die Fußgängerzone ein. Glanzstück ist dabei der älteste Personenwagen aus Gaggenauer Produktion. Er hat noch die Kutschenform und einen Einzylinder-Motor mit 5,5 PS.
Gesteuert wird dieses Museumsstück an diesem Tag von seinem Retter, Ron Mellowship, aus Kent in England. Dieser hat das in Teilen entdeckte Fahrzeug in jahrelanger Sisyphusarbeit Ende 2009 fahrbereit gemacht. Es wurde dann von einer Kommission strenger englischer Fahrzeugexperten auf das Jahr 1897 datiert. Somit ist es das älteste bekannte Fahrzeug aus Gaggenauer Produktion, deren Serienfertigung bekanntlich 1895 begann. Es trägt in Anlehnung an den legendären Luxuszug, der erstmals am 5. Juni 1883 zwischen Paris und Giurgiu verkehrte, den Namen „Orient-Express“. Bei der Oldtimer-Rallye von London nach Brighton 2017 hatte dieses Fahrzeug übrigens die Startnummer 10 – nur neun Fahrzeuge waren älter.
In der Gaggenauer Fußgängerzone können dann alle Fahrzeuge eine Stunde bewundert werden, bevor gegen 13 Uhr die Fahrt des Konvois über die Konrad-Adenauer- und die Bismarckstraße zum Kurgebiet Bad Rotenfels und von dort weiter zum Unimog-Museum geht. Auch da gibt es dann bis 17 Uhr weitere Gelegenheit zum Staunen und Fotografieren.
Für die Finanzierung des Kaufs dieses Kulturguts bittet die Stiftung Unimog-Museum um Spenden: Sparkasse Baden-Baden Gaggenau,IBAN: DE276625003000500 55557.
Badisches Tagblatt vom 30. April 2018
Bild oben: Strahlende Gesichter: Karl Leib (links) und Heinz Tiemeyer überführten Anfang April den Orient-Express Oldtimer von Cantergury nach Gaggenau – Foto: Michael Wessel
Bild Mitte: Ron Mellowship im Ziel der Oldtimer-Rallye London to Brighton 2009 – Foto: Tina Wessel
Das älteste Automobil aus Gaggenauer Produktion findet seinen Platz im Unimog-Museum
Gaggenau (red) – Das älteste bekannte Fahrzeug aus Gaggenauer Automobilproduktion soll in wenigen Wochen zurück an seinen „Geburtsort“ geholt werden. Es hat den klangvollen Namen Orient-Express und wurde 1897, also vor mehr als 120 Jahren, in Bergmanns Industriewerken nach Plänen und in Regie des Baden-Badener Ingenieurs Joseph Vollmer gebaut.
Der Oldtimer hat noch die ursprüngliche Kutschenform und einen Einzylinder-Motor mit 5,5 PS. Sein Besitzer, der aktuell noch in England lebende Australier Ron Mellowship, hat ihn schweren Herzens dem Unimog-Museum angeboten, da er beabsichtigt, seinen Lebensabend in seiner Heimat zu verbringen. Für Stefan Schwaab, Vorsitzender des Vereins Unimog-Museum, ist diese Gelegenheit mit einem Sechser im Lotto vergleichbar. Er ist begeistert von der Vorstellung, dass der Orient-Express im erweiterten Unimog-Museum den Beginn der Automobilindustrie im Murgtal eindrucksvoll vor Augen führt: „Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass wir diese Chance erhalten. Wir müssen daher jetzt alles daran setzen, dieses einzigartige Kulturgut an seinen Geburtsort zurückzuholen.“ Der Kaufvertrag sei bereits unterschrieben, berichtet er dem BT. Den Kaufpreis will er nicht nennen. In Expertenkreisen werden Fahrzeuge wie diese aber mit sechsstelligen Euro-Beträgen gehandelt.
Bei seinen Recherchen nach den ältesten noch existierenden Autos aus Gaggenau war Hobby-Heimatforscher Michael Wessel bereits 1986 darauf aufmerksam geworden, dass es in England noch zwei Orient-Express-Fahrzeuge gebe. Und als er hörte, dass eines davon regelmäßig an der legendären jährlichen Rallye „London to Brighton Veteran Car Run“ teilnehme, wuchs bei ihm der Wunsch, dies vor Ort mitzuerleben. 2009 setzte er dieses Vorhaben mit seiner Tochter Tina um. Dann die Überraschung: Der zweite existierende, bis zum damaligen Zeitpunkt allerdings noch nicht fahrbereite, Orient-Express von Ron Mellowship aus Kent wurde für die Rallye nachgemeldet. Wenige Tage zuvor war er das erste Mal gelaufen.
Wessel erinnert sich: „Im Londoner Hyde Park herrschte am 9. November 2009 gegen 6 Uhr – also noch bei Dunkelheit – eine gespenstische Atmosphäre, denn überall wurden Oldtimer abgeladen und zum Laufen gebracht, oder sie tuckerten auf eigener Achse an. Es gelang mir, das Wachpersonal zu überzeugen, dass ich unbedingt noch kurz vor dem Start zu ,meinem? Orient-Express-Fahrzeug müsse. Ron Mellowship war von meinem Besuch überrascht, kannte er doch meinen Namen aufgrund von Veröffentlichungen über den Orient-Express..“
Es war mutig von Ron Mellowship, sich bereits 2009 für die Teilnahme an der Rallye von London bis zur Küstenstadt Brighton mit einer Gesamtlänge von 60 Meilen (rund 100 Kilometer) nachzumelden, denn er hatte zuvor keine vergleichbare Strecke mit dem Fahrzeug hinter sich gebracht. Und doch: Er erreichte das Ziel. Im darauffolgenden Jahr lud er Wessel zur Mitfahrt ein. Aber nach etwa einem Drittel der Route streikte das Fahrzeug, weil eine Schmierung nicht funktionierte. In den Folgejahren hat Mellowship an allen weiteren Rallyes von London nach Brighton teilgenommen und kam immer ins Ziel. 2017 hatte sein Orient-Express die Startnummer 10 – nur neun Fahrzeuge waren somit älter. Teilnehmen dürfen nur Autos, die vor 1905 gebaut wurden.
Die Stiftung Unimog-Museum bittet um Spenden für den Kauf des Oldtimers: Sparkasse Baden-Baden Gaggenau, IBAN: DE276625003000 50055557.
Gisela Zincke hatte als Enkelin noch das Glück, Joseph Vollmer persönlich kennen zu lernen. Und sie machte es sich zur Aufgabe, dessen Lebenswerk zu dokumentieren.
Es war ein besonders liebenswerter Opa, wie sie in der Einleitung zu ihrem Buch „Joseph Vollmer – Konstrukteur und Pionier“ schreibt.
Ihr Großvater wusste viele interessante Geschichten zu erzählen, die interessantesten handelten jedoch von seiner ersten Automobilkonstruktion in Gaggenau.
So ist zu lesen: „Er hatte eine Lehre absolviert, Maschinenbau studiert und dann zu Hause bei seinen Eltern die Pläne für ein Motordreirad fertiggestellt, die er schon während des Studiums begonnen hatte.
Im August 1894 begab er sich mit einer Zeichenmappe unter dem Arm auf den Fußweg von mehr als zwei Stunden von Baden-Baden über die Ebersteinburg nach Gaggenau, um einem an Automobilen interessierten Unternehmer seine Konstruktion vorzulegen. Zu seiner großen Freude und Überraschung hatte er auf Anhieb Erfolg. Joseph Vollmers erstes Automobil wurde in Gaggenau gebaut.“
Gisela Zincke beschreibt sehr anschaulich die erfolgreichen Gaggenauer Jahre und auch, wie schwierig es wohl war, einen Orient-Express zu fahren. Ende 1897 wechselte Vollmer als Gesellschafter zu Eduard Kühlstein nach Berlin. Verantwortungsvolle Aufgaben bei der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft – Neue Automobilgesellschaft und bei der Deutschen Automobil-Constructionsgesellschaft folgten, bevor sich Vollmer 1906 mit seinem Partner Ernst Neuberg mit der Deutschen Automobil-Construktionsgesellschaft selbständig machte. Zahlreiche in- und ausländische Fabriken zählten zu den Kunden der DAC.
Joseph Vollmer war Inhaber von über 450 in- und ausländischen Patenten und Gebrauchsmustern. Sein Lebenswerk wurde mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande, der Diesel-Medaille und dem Dieselring sowie einer Reihe von Ehrenmitgliedschaften gewürdigt.
Gisela Zicke war es ein Bedürfnis, das Lebenswerk ihres Großvaters zu dokumentieren, da es im Gegensatz zu anderen genialen Konstrukteuren, kein Fahrzeug gibt, das seinen Namen trägt.
Die deutsche Ausgabe der Biographie ist vergriffen. Die englische Fassung ist noch erhältlich über www.buchundbild.de
In den 1990er Jahren hatte der Engländer Peter Moffat in Nordwales den Orient-Express 104 – „zerlegt in tausend Teile“ – in der Scheune einer Mühle entdeckt und nach zähen Verhandlungen kaufen können.
In seiner großen Garage versucht er dann, die Teile „zusammenzupuzzeln“. Unterlagen besaß er dafür nicht. Und noch bevor er starb, übergab er das Projekt seinem Freund Ron Mellowship.
Ron Mellowship – der Retter des Orientexpress Nr. 104 – Foto: Michael Wessel
Auch Mellowship musste sich ohne technische Literatur durchkämpfen. Anfangs glaubte er noch, es sei ein Benz-Wagen, denn die Handbremse entsprach der legendären Benz Victoria. Aber dann stellte er fest, dass die noch original vorhandene Prägung und Lackierung der beiden großen Wassertanks eindeutig für den Orientexpress aus Gaggenau sprechen.
Nach mehrjährigem Studium der Teile stellten sich erste Erfolgserlebnisse ein und das Fahrzeug nahm Form an. Das Besondere daran war, dass sich dabei herausstellte, dass mehr als 80 Prozent der mechanischen Teile noch im Original vorhanden waren. Und als Schreinermeister war es für ihn nicht schwer, marode Holzteile nachzubauen.
Ron Mellowship 2009 vor dem Start der Rallye London to Brighton Foto: Tina Wessel
Erst 2009 gelang es aber Ron Mellowship, den Motor wieder instand zu setzen. Zehn Tage vor dem Start der weltbekannten jährlichen „Rallye London to Brighton Veteran Car Run“ lief dieser das erste Mal. Ron hatte den Mut, sich anzumelden, obwohl er nur Zeit für Probefahrten von wenigen Meilen hatte.
Minuten vor dem Start der Rallye am 1. November lernte er Michael Wessel aus Gaggenau kennen, der eigens wegen des Starts des Orientexpress angereist war. Dieser Kontakt wurde über Jahre weiter gepflegt. Insbesondere in der Zeit, in der Ron Mellowship von den strengen Prüfern des „Dating Advisitory Committee“ der Veteran Car Company Limited das Baujahr bestätigt bekommen wollte. Sie bescheinigten 1897 – ein Jahr früher wäre Ron Mellowship noch lieber gewesen.
Ab 2009 nahm Ron Mellowship an allen Rallyes von London nach Brighton teil. 2017 hatte er die Startnummer 10 – nur neun Fahrzeuge waren somit älter
Ende 2018 wird Ron Mellowship in seine Heimat nach Australien zurückkehren und hat daher sein heißgeliebtes Fahrzeug dem Unimog-Museum Gaggenau angeboten, damit es an seinen Geburtsort Gaggenau zurückkehren konnte.
Konstruiert wurde der Orientexpress von dem Baden-Badener Joseph Vollmer. Dieser hatte 1894 dem Gaggenauer Industriellen Theodor Bergmann Pläne für den Bau von Motorfahrzeugen vorgelegt. Bergmann beauftragte ihn sofort mit der Anfertigung der Detailzeichnungen und übertrug ihm dann die Leitung der Produktion. 1895 wurden dann die ersten serienmäßigen Automobile in „Bergmanns Industriewerken“ gebaut. Etwa 250 gingen nach England. Eines dieser Automobile kam jetzt zurück.
Einer der bedeutendsten Pioniere des Automobilbaus in der Welt
Nach seinem nicht ganz freiwilligen Ausscheiden als Direktor der Eisenwerke Gaggenau gründete Theodor Bergmann am 1. März 1894 seine eigenen Industriewerke im benachbarten Ottenau.
Bereits im Februar 1888 hatte er dort eine im Bau befindliche Sägemühle erworben und daneben mit tatkräftiger Unterstützung seines Bruders Joseph und des Meisters Max Roth – später selbst Unternehmer – Werkstätten errichten lassen. Darin sollen bereits 1892 auf 1893 – also sieben Jahre nach Benz und Daimler – Versuche mit einem „motorgetriebenen Fahrzeug“ unternommen worden sein. Hätte es bei der offiziellen Gründung bereits ein vorzeigbares Motorfahrzeug gegeben, so wäre es sicher auf einem Gründungsfoto mit seinem „Arbeiterstamm“ mit abgelichtet worden.
Aber dieses Gründungsjahr 1894 sollte schicksalhaft werden für die weitere Entwicklung des Unternehmens und die Industrialisierung des Murgtals, denn in Baden-Baden hatte der junge Ingenieur Joseph Vollmer Pläne für den Bau eines motorgetriebenen Dreirades entwickelt. Vorausgegangen waren bei ihm eine Lehre als Feinmechaniker und Monteur in der Maschinenfabrik Esslingen. Dabei hatte er nach eigenen Angaben „des Öfteren Gelegenheit, auf dem gegenüberliegenden Gelände der Daimler’schen Werkstätten die Versuche mit Kraftwagen, Motorballons und Schienenfahrzeugen zu verfolgen“. Diese hinterließen bei ihm einen „begeisterten Eindruck“.
Vollmer hatte davon gehört, dass Theodor Bergmann allem Neuen gegenüber sehr aufgeschlossen war und berichtete später: „Im August 1894 habe ich mich zu Fuß über Ebersteinburg nach Gaggenau begeben und bei dem Fabrikanten Theodor Bergmann persönlich vorgesprochen. Ich schlug ihm vor, die Fabrikation von Motorfahrzeugen nach den vorgelegten, von mir gefertigten Konstruktionen aufzunehmen. Der Mann und die Zeichnungen haben Bergmann imponiert, und wir wurden schnellstens einig, dass ich den folgenden Tag die Werkstattzeichnungen bei meinen Eltern in Baden-Baden beginnen sollte, die dann nacheinander in den Bergmann-Industriewerken zur Ausfertigung gelangten. Wir fertigten ein 2- und 3-sitziges Phaeton, genannt „Orient-Express“, ca. 6 PS liegender Einzylinder-Motor, mit drei Riemenantrieben und einer Spannrolle, später mit Zahnradvorgelege.“
Mit der Aufnahme der Automobilproduktion im Jahr 1895 kann Bergmann für sich in Anspruch nehmen, nach Benz, Daimler und Lutzmann der vierte Hersteller in Deutschland gewesen zu sein. Und da die Genannten heute nicht mehr an ihrer ursprünglichen Produktionsstätte tätig sind, ist Gaggenau somit das weltweit älteste Automobilwerk am gleichen Standort.
In dem Buch „Die Automobile der Benzstadt Gaggenau“ beschreibt der Historiker Hans-Otto Neubauer die Orient-Express-Wagen wie folgt: „Dem Benz-Vorbild entsprechend war der Einzylindermotor liegend im Heck angeordnet. Die Kraftübertragung erfolgte über Riemen auf eine Vorgelegewelle und von dieser über zwei Ketten auf die Hinterachse. Dieser Anordnung lag das an Bergmann und Vollmer erteilte Patent Nr. 98 367 „Vorrichtung zur Änderung der Geschwindigkeit von Motorfahrzeugen“ zugrunde. Sie bestand aus vier Riemenscheiben für drei Vorwärts- und einen Rückwärtsgang, auf denen die Riemen lose aufgelegt waren. Durch eine quer verschiebbare Spannrolle konnten die entsprechenden Riemen gespannt und somit die gewünschte Geschwindigkeit gewählt werden. Die ersten Motoren hatte einen Hubraum von etwa 1,8 Liter und eine Leistung von 3 – 4 PS. Kurzzeitig kam eine sogenannte flammlose Glührohrzündung zur Anwendung, die aber bald durch eine Niederspannungs-Magnetzündung des Systems Bosch ersetzt wurde. – Vollmer war der erste, der im Automobilbau für die Orient-Express-Wagen Kugellager in den Getriebeorganen verwendete.“
Die Karosserie entsprach noch vollkommen der damals üblichen Kutschenform. So auch die des Orient-Express Nummer 104, der jetzt wieder nach Gaggenau zurückkommen soll.
Drei weitere Neuerungen erhielten Bergmann und Vollmer patentiert:
88 151 – Gesteuertes Mischdoppelventil
86 486 – Steuerung für mehrzylindrische Explosionsmaschinen zum Betrieb von Fahrzeugen
91 531 – Vorrichtung zur Erzeugung eines Gases aus Luft und Petroleumdämpfen.
Ende 1897 löste Vollmer seinen Vertrag mit Bergmann, um eine neue Aufgabe in Berlin zu übernehmen. Nach seinen Konstruktionsprinzipien wurden aber in Gaggenau noch viele Jahre Orient-Express-Fahrzeuge weiter gebaut.
Den Kontakt zu Bergmann hielt Vollmer so lange wie möglich aufrecht. Heute zählt Vollmer – er verstarb 1955 – zu den zehn bedeutendsten Pionieren des Automobilbaus der Welt. Sein erstes Automobil entstand im Murgtal.
Seine Enkelin Gisela Zincke hat mit dem Titel „Joseph Vollmer – Konstrukteur und Pionier“ 2001 das Lebenswerk ihres Großvaters beschrieben. Das Werk ist auch in englischer Sprache erschienen.
Der Baden-Badener Konstrukteur Joseph Vollmer stellt 1894 dem Gaggenauer Unternehmer Theodor Bergmann Pläne für ein motorgetriebenes Dreirad vor
Glückliche Zufälle, unternehmerische Weitsicht und motivierte Mitarbeiter waren die Erfolgsfaktoren für das Entstehen und die positive Weiterentwicklung der Gaggenauer Automobilindustrie. So war es ein glücklicher Zufall, dass 1894 der junge Baden-Badener Konstrukteur Joseph Vollmer nach Gaggenau kam, um Theodor Bergmann seine Pläne für ein motorgetriebenes Dreirad vorzustellen. Der Unternehmer Theodor Bergmann hatte sich in Ottenau selbständig gemacht, nachdem er bis 1888 gemeinsam mit Michael Flürscheim die Eisenwerke Gaggenau zu einem bedeutenden Industriebetrieb entwickelt hatte.
Bergmann erkannte die Fähigkeiten Vollmers und beauftragte ihn mit der Entwicklung von Personenwagen, deren Produktion bereits ein Jahr später in Regie von Vollmer aufgenommen wurde. Sie hatten anfangs noch die auch von Benz und Daimler bekannte Kutschenform. Aber bereits 1898 waren auch andere Modelle im Programm, wie ein früher Prospekt belegt – darunter auch ein Lastwagen. Daher konnte man auch 1998 mit einem großen Fest und vielen Lkw-Oldtimern „100 Jahre Nutzfahrzeugbau in Gaggenau“ feiern. Auf das Jahr 1899 wird danach der Bau des ersten Gaggenauer Omnibusses datiert, von dem nur noch ein Foto vorhanden ist.
Als Bergmann seine Industriewerke aufbaute, konnte er viele besonders tüchtige und qualifizierte Facharbeiter aus den Eisenwerken für eine Mitarbeit gewinnen – darunter den Meister Max Roth, der sich später auch selbständig machte.
Es gelang den Gaggenauern sogar, von „Benz & Cie“ mit Franz Lipfert einen besonders fähigen Mitarbeiter als Fahrmeister abzuwerben, der noch bei „Papa Benz“ die allerersten Fahrversuche mit dem Dreirad miterlebt hatte.
Ein weiterer glücklicher Zufall war es dann, dass Bergmann im Jahr 1900 beim Besuch der Weltausstellung in Paris den Kaufmann Georg Wiß und den Ingenieur Franz Knecht kennen lernte. Wiß hatte auf der Ausstellung erstmals Automobile gesehen und war so begeistert von diesen Wunderwerken der Technik, dass er bereits im Frühjahr 1901 als Teilhaber bei Bergmann einstieg. Man hatte sich gerade mal wieder sozusagen „zu Tode erfunden“ und so konnte durch die Beteiligung von Wiß zudem die Werksschließung verhindert werden.
Den Ingenieur Franz Knecht verpflichteten Bergmann und Wiß noch in Paris als Nachfolger von Joseph Vollmer, der im November 1897 ausgeschieden war, zum Jahresende 1901. Franz Knecht war Autodidakt. Nach einer Mechaniker-Ausbildung hatte er sich bei weiteren Lehr- und Wanderjahren in Deutschland, Frankreich und der Schweiz hervorragende technische Kenntnisse angeeignet. Diese machten es ihm möglich, sich in seiner Freizeit in den Jahren 1897 und 1898 ein eigenes Automobil zu bauen – zugleich eine Referenz, um 1898 die Leitung einer Automobilproduktion in Frankreich übertragen zu bekommen.
Der weitsichtige Unternehmer Theodor Bergmann beauftragte 1901 den Konstrukteur Willy Seck mit der Entwicklung eines „winzigen Fahrzeugs mit Reibrad-Antrieb“. Dahinter steckte der Gedanke eines Volksautomobils. 1904 wurden die ersten Exemplare in Bergmanns Industriewerken gefertigt. Dieser setzte große Hoffnungen in sein „Volksautomobil“ und bot Lizenzfertigungen an. Doch nur in seiner eigenen Waffenfabrik in Suhl, Thüringen, wurden weitere Liliput-Fahrzeuge gebaut. Bergmann war offensichtlich seiner Zeit zu weit voraus.
„Der Badener Autopionier Joseph Vollmer: Vordenker der DIN“ war Thema eines Referates, das Gisela Zincke am 28. Mai 2011 beim Symposium „Kopf oder Zahl – Die Quantifizierung von allem im 19. Jahrhundert° im Museum L8 in Baden-Baden hielt.
Darin führte sie unter anderem aus: „Im April 1915 ergriff die Verkehrstechnische Prüfungskommission des deutschen Heeres die Initiative, sämtliche Bestandteile der im Krieg verwendeten Lkw und Pkw zu vereinheitlichen. Hintergrund war die Tatsache, dass an der Front die Kfz bei dem kleinsten Defekt ausfielen, da die Ersatzteile nicht austauschbar waren. Der Verein Deutscher Motorfahrzeug-Industrieller schlug Vollmer für die Aufgabe vor. Im Rang eines Hauptmanns erarbeitete Vollmer nun gemeinsam mit eigenen Mitarbeitern und Ingenieuren der Fahrzeugfabriken die Grundeinheiten. Die Einführung des metrischen Systems im Kraftfahrzeugbau wurde 1916 abgeschlossen.
Mit dieser Arbeit gehört Joseph Vollmer zu den Vätern des Fachnormenausschusses Kraftfahrzeugindustrie des Reichsverbandes der Automobilindustrie (FAKRA) und zum Vordenker der deutschen Industrienorm (DIN).„