Der Scheunenfund: Orientexpress von 1897

Der Orientexpress Nr. 104

In den 1990er Jahren hatte der Engländer Peter Moffat in Nordwales den Orient-Express 104 – „zerlegt in tausend Teile“ – in der Scheune einer Mühle entdeckt und nach zähen Verhandlungen kaufen können.

In seiner großen Garage versucht er dann, die Teile „zusammenzupuzzeln“. Unterlagen besaß er dafür nicht. Und noch bevor er starb, übergab er das Projekt seinem Freund Ron Mellowship.

Ron Mellowship – der Retter des Orientexpress Nr. 104  – Foto: Michael Wessel

Auch Mellowship musste sich ohne technische Literatur durchkämpfen. Anfangs glaubte er noch, es sei ein Benz-Wagen, denn die Handbremse entsprach der legendären Benz Victoria. Aber dann stellte er fest, dass die noch original vorhandene Prägung und Lackierung der beiden großen Wassertanks eindeutig für den Orientexpress aus Gaggenau sprechen.

Nach mehrjährigem Studium der Teile stellten sich erste Erfolgserlebnisse ein und das Fahrzeug nahm Form an. Das Besondere daran war, dass sich dabei herausstellte, dass mehr als 80 Prozent der mechanischen Teile noch im Original vorhanden waren. Und als Schreinermeister war es für ihn nicht schwer, marode Holzteile nachzubauen.

Ron Mellowship 2009 vor dem Start der Rallye London to Brighton           Foto: Tina Wessel

Erst 2009 gelang es aber Ron Mellowship, den Motor wieder instand zu setzen. Zehn Tage vor dem Start der weltbekannten jährlichen „Rallye London to Brighton Veteran Car Run“ lief dieser das erste Mal. Ron hatte den Mut, sich anzumelden, obwohl er nur Zeit für Probefahrten von wenigen Meilen hatte.

Minuten vor dem Start der Rallye am 1. November lernte er Michael Wessel aus Gaggenau kennen, der eigens wegen des Starts des Orientexpress angereist war. Dieser Kontakt wurde über Jahre weiter gepflegt. Insbesondere in der Zeit, in der Ron Mellowship von den strengen Prüfern des „Dating Advisitory Committee“ der Veteran Car Company Limited das Baujahr bestätigt bekommen wollte. Sie bescheinigten 1897 – ein Jahr früher wäre Ron Mellowship noch lieber gewesen.

Ab 2009 nahm Ron Mellowship an allen Rallyes von London nach Brighton teil. 2017 hatte er die Startnummer 10 – nur neun Fahrzeuge waren somit älter

Ende 2018 wird Ron Mellowship in seine Heimat nach Australien zurückkehren und hat daher sein heißgeliebtes Fahrzeug dem Unimog-Museum Gaggenau angeboten, damit es an seinen Geburtsort Gaggenau zurückkehren konnte.

Konstruiert wurde der Orientexpress von dem Baden-Badener Joseph Vollmer. Dieser hatte 1894 dem Gaggenauer Industriellen Theodor Bergmann Pläne für den Bau von Motorfahrzeugen vorgelegt. Bergmann beauftragte ihn sofort mit der Anfertigung der Detailzeichnungen und übertrug ihm dann die Leitung der Produktion. 1895 wurden dann die ersten serienmäßigen Automobile in „Bergmanns Industriewerken“ gebaut. Etwa 250 gingen nach England. Eines dieser Automobile kam jetzt zurück.

Michael Wessel

 

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