Der Baden-Badener Konstrukteur Joseph Vollmer stellt 1894 dem Gaggenauer Unternehmer Theodor Bergmann Pläne für ein motorgetriebenes Dreirad vor
Glückliche Zufälle, unternehmerische Weitsicht und motivierte Mitarbeiter waren die Erfolgsfaktoren für das Entstehen und die positive Weiterentwicklung der Gaggenauer Automobilindustrie. So war es ein glücklicher Zufall, dass 1894 der junge Baden-Badener Konstrukteur Joseph Vollmer nach Gaggenau kam, um Theodor Bergmann seine Pläne für ein motorgetriebenes Dreirad vorzustellen. Der Unternehmer Theodor Bergmann hatte sich in Ottenau selbständig gemacht, nachdem er bis 1888 gemeinsam mit Michael Flürscheim die Eisenwerke Gaggenau zu einem bedeutenden Industriebetrieb entwickelt hatte.
Bergmann erkannte die Fähigkeiten Vollmers und beauftragte ihn mit der Entwicklung von Personenwagen, deren Produktion bereits ein Jahr später in Regie von Vollmer aufgenommen wurde. Sie hatten anfangs noch die auch von Benz und Daimler bekannte Kutschenform. Aber bereits 1898 waren auch andere Modelle im Programm, wie ein früher Prospekt belegt – darunter auch ein Lastwagen. Daher konnte man auch 1998 mit einem großen Fest und vielen Lkw-Oldtimern „100 Jahre Nutzfahrzeugbau in Gaggenau“ feiern. Auf das Jahr 1899 wird danach der Bau des ersten Gaggenauer Omnibusses datiert, von dem nur noch ein Foto vorhanden ist.
Als Bergmann seine Industriewerke aufbaute, konnte er viele besonders tüchtige und qualifizierte Facharbeiter aus den Eisenwerken für eine Mitarbeit gewinnen – darunter den Meister Max Roth, der sich später auch selbständig machte.
Es gelang den Gaggenauern sogar, von „Benz & Cie“ mit Franz Lipfert einen besonders fähigen Mitarbeiter als Fahrmeister abzuwerben, der noch bei „Papa Benz“ die allerersten Fahrversuche mit dem Dreirad miterlebt hatte.
Ein weiterer glücklicher Zufall war es dann, dass Bergmann im Jahr 1900 beim Besuch der Weltausstellung in Paris den Kaufmann Georg Wiß und den Ingenieur Franz Knecht kennen lernte. Wiß hatte auf der Ausstellung erstmals Automobile gesehen und war so begeistert von diesen Wunderwerken der Technik, dass er bereits im Frühjahr 1901 als Teilhaber bei Bergmann einstieg. Man hatte sich gerade mal wieder sozusagen „zu Tode erfunden“ und so konnte durch die Beteiligung von Wiß zudem die Werksschließung verhindert werden.
Den Ingenieur Franz Knecht verpflichteten Bergmann und Wiß noch in Paris als Nachfolger von Joseph Vollmer, der im November 1897 ausgeschieden war, zum Jahresende 1901. Franz Knecht war Autodidakt. Nach einer Mechaniker-Ausbildung hatte er sich bei weiteren Lehr- und Wanderjahren in Deutschland, Frankreich und der Schweiz hervorragende technische Kenntnisse angeeignet. Diese machten es ihm möglich, sich in seiner Freizeit in den Jahren 1897 und 1898 ein eigenes Automobil zu bauen – zugleich eine Referenz, um 1898 die Leitung einer Automobilproduktion in Frankreich übertragen zu bekommen.
Der weitsichtige Unternehmer Theodor Bergmann beauftragte 1901 den Konstrukteur Willy Seck mit der Entwicklung eines „winzigen Fahrzeugs mit Reibrad-Antrieb“. Dahinter steckte der Gedanke eines Volksautomobils. 1904 wurden die ersten Exemplare in Bergmanns Industriewerken gefertigt. Dieser setzte große Hoffnungen in sein „Volksautomobil“ und bot Lizenzfertigungen an. Doch nur in seiner eigenen Waffenfabrik in Suhl, Thüringen, wurden weitere Liliput-Fahrzeuge gebaut. Bergmann war offensichtlich seiner Zeit zu weit voraus.